Nachdem im Frühjahr ein kleines Virus weltweit unser gesamtes Leben, die Börsen und die Wirtschaft mächtig durcheinander gewirbelt und so gut wie auf Eis gelegt hat, hat sich der Sturm - zumindest an den Börsen - so ganz allmählich wieder gelegt. Der DAX hatte am Januar sein Allzeithoch mit rund 13.600 Punkten, fiel dann im März auf 8.400 hinab und liegt heute bei 12.600. Ähnlich haben sich auch andere Börsen wie der marktbreite S&P oder die Technologiebörse Nasdaq verhalten.
Also, die Stimmung ist aktuell gut an den Börsen. Auch wenn einem das angesichts der allgemeinen Wirtschaftsschwäche schon ein wenig „schräg“ vorkommt. Doch der Reihe nach.
Indikatoren für Stimmungen
Zur Messung der Stimmung bei Verbrauchern und in der Wirtschaft gibt es zahlreiche Indikatoren. Dazu gehören der Weekly Economic Index (WIE) der US-Notenbank Fed, das US-Verbrauchervertrauen
(Consumer Comfort Index) oder der deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex. Aber auch an anderen Indikatoren lässt sich die Konjunkturentwicklung abschätzen: Von Energieerzeugung über Passagen von
Frachtschiffen bis hin zum Aufkommen von Passanten in bedeutenden Einkaufsstraßen. Diese Daten gehen zumindest langsam wieder aufwärts, wenn sie auch das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder
erreicht haben.
Die Gründe für den momentanen Sonnenschein an den Börsen
- Staatliche Unterstützungen in bislang nicht vorgekommener Schnelligkeit und Größenordnungen.
- Eine ebenso schnelle Reaktion der Notenbanken, die zu nachhaltig tiefen Zinsen und eine gigantischen Liquiditätsschwemme geführt hat. Also, es gibt viel Geld, was nach Anlagemöglichkeiten schaut.
- Es gab - und gibt - Verlierer und Gewinner bei den Unternehmen und damit auch bei den Aktien. Und die Gewinner haben dafür gesorgt, dass zumindest das Gesamtbild ein recht freundliches ist.
- An den Börsen wird die Zukunft eingepreist. Das bedeutet aktuell, dass sich die Marktteilnehmer schon jetzt darauf einstellen, dass die Wirtschaft irgendwann wieder richtig Fahrt aufnehmen wird. Wenn vielleicht ein Medikament gegen das Corona Virus gefunden wird, wenn die Leute wieder verstärkt verreisen oder konsumieren werden. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-amerikanische Federal Reserve (FED) gehen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in der Eurozone bzw. in den USA in 2022 in etwa von 2019 erreichen wird.
Ob es auch in der nächsten Zeit so freundlich weiter gehen wird? Das weiß niemand, da niemand die Zukunft voraus sagen kann.
Was man aber generell sagen kann, ist folgendes:
- Wer sein Geld an den Börsen in Fonds/ETF anlegt, braucht eine Strategie, die so aussehen könnte: Absicherung der wichtigsten existenziell bedrohlichen Risiken, Geld auf dem Girokonto in Höhe von einem Monatsgehalt, ein Tagesgeldkonto oder mehrere für Rücklagen oder Sparziele in näherer Zeit. Alles, was darüber hinaus in den nächsten sieben oder mehr Jahren nicht benötigt wird, wandert in Fonds/ETF. Darüber hinaus ist auch noch wichtig: Geduld, Durchhaltevermögen, eine entspannte Grundhaltung und die Gewissheit: So wie sich Wind, Regen und Sonnenschein immer wieder abwechseln, wird es auch an den Börsen immer wieder hoch und runter gehen. Letzteres nennt man übrigens auch Volatilität.
- Land- und Forstwirte oder Gärtnerinnen schauen nicht auf die eine gute oder schlechte Ernte in einem Jahr, sondern betrachten immer den Schnitt der letzten Jahre.
- Solange die Wirtschaft weltweit nicht stagniert, sondern wächst, und wenn es auch nur geringfügig ist, solange sollte man sich - langfristig betrachtet - nicht von kurzfristigen Ereignissen wie die Auswirkungen einer demnächst stattfindenden Präsidentenwahl in den USA beunruhigen lassen oder Indiens Kampf gegen die großen chinesischen Technologiekonzerne.
- Durch den hohen Verschuldungsgrad der Länder wird es auch in Zukunft bei den niedrigen Zinsen, die um die 0,1 Prozent liegen, bleiben. Wen das Gelddrucken der Notenbanken beunruhigt und/oder durch die Inflation oder das Zahlen von Strafzinsen kein Geld verlieren möchte, kommt nicht darum herum, sein Geld in Sachanlagen wie Unternehmen, Maschinen, Immobilien, Land oder Forst anzulegen. Entweder direkt, in einzelne Aktien oder breit gestreut durch Fonds/ETF.
- Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass es generell nicht gelingt, den optimalen Ein- oder Ausstieg zu schaffen. Die Hamburger Sutor Bank hat beispielsweise 2019 in einer Langfrist-Auswertung analysiert, wie stark es auf die Rendite durchschlägt, wenn man nur wenige Tage mit hohen Kursgewinnen an der Börse verpasst. Das Ergebnis: Bei einem Anleger, der im DAX zwischen 1988 und 2018 die besten 13 Tage versäumt hätte, schrumpft die Rendite auf die Hälfte. Verpasst er die besten 33 Tage, hätte er sogar Geld verloren. Die länderübergreifende Analyse der Bank hat ergeben, dass es bei anderen Börsen der Welt ganz ähnlich aussah. Die Auswertung zeigt, dass sprunghaftes Kaufen und Verkaufen an den Aktienmärkten ein hohes Risiko bedeuten. Wer sein Geld vermehren und dabei ruhig schlafen möchte, macht generell alles richtig, indem sie oder er investiert bleibt. Denn dadurch besteht nicht Gefahr, die besten Tage zu verpassen.
- Stichwort Durchhaltevermögen: Besonders überzeugend sind Langfristdaten der drei Professoren Dimson, Marsh und Staunton von der London Business School. Sie berechnen jedes Jahr die Durchschnittserträge von Aktien, Anleihen und Cash für 23 Länder bis ins Jahr 1900 zurück. Aktien kamen demnach auf eine durchschnittliche jährliche Rendite von rund acht Prozent. Rechnet man die Inflationsrate heraus, bleibt eine reale Rendite von rund fünf Prozent. Das ist weit mehr als mit anderen Anlageformen wie Anleihen oder kurzfristigen Zinspapieren zu erzielen ist.
- Es gilt immer noch die alte Weisheit: Lege nie alle Eier in einen Korb. Wer beispielsweise viel Geld in eine Aktie wie Wirecard gesteckt hat, der hat einen sehr hohen Verlust zu verzeichnen. Wer hingegen sein Geld in einen Fonds/ETF anlegt hat, der weltweit in 50, 80 und mehr Aktien investiert ist, dürfte relativ gelassen sein. Wer dazu sein Geld nicht nur in einem einzelnen Fonds/ETF angelegt hat, sondern eine überschaubare Anzahl in einem breit aufgestelltem Depot mit unterschiedlichen Ausrichtungen hinsichtlich seiner individuellen Lebens- und Finanzsituation, seiner Risikobereitschaft und seines Anlagehorizontes, die/der dürfte ziemlich entspannt sein.
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heidrun brand (Donnerstag, 23 Juli 2020 22:01)
Sehr interessant und verständlich.Danke für die Erinnerung sich doch mehr um die Finanzen zu kümmern.H.Brand
Ute Regina Voß (Montag, 27 Juli 2020 11:53)
Sehr geehrte Frau Brand,
vielen Dank für die nette Rückmeldung. Darüber freue ich mich wirklich sehr!
Herzliche Grüße
Ute Regina Voß